Der Onkel meines Mannes, Peter Stargardt, hat viele Jahre für Hersteller professioneller Schutzbekleidung gearbeitet und ab Mitte der 70er Jahre bei der deutschen Niederlassung des Multitechnologiekonzerns 3M Jahre den Verkaufsbereich Arbeitsschutz-Produkte mit aufgebaut. Während der SARS-Pandemie, von November 2002 bis Juli 2003, ist es ihm gelungen, innerhalb von drei Tagen 500.000 Mundschutz-Masken für einen großen Kunden zu beschaffen. Daneben hatte er regelmäßig Kontakt zum Robert-Koch-Institut (RKI) und zu Virologen.

Alltagsmasken: Besser als nichts oder mehr Gefahr als Schutz?

Peter Stargardt sieht im Verwenden von Alltagsmasken nicht nur Vorteile für die Bevölkerung. Bei falschem Gebrauch könnten die Masken sogar eher schaden als nutzen. Vergangene Woche haben wir uns virtuell getroffen und ich konnte dem Fachmann für Schutzausrüstung einige Fragen zum Thema Alltagsmasken stellen:

Peter, du hast dich beruflich fast ein Vierteljahrhundert mit dem Thema Schutzausrüstung, insbesondere Mund- und Atemschutz beschäftigt. Was hältst du von der dringenden Empfehlung oder Pflicht, Alltagsmasken zu tragen?

Peter Stargardt: Als positiv betrachte ich, dass die Alltagsmasken im Sprachgebrauch inzwischen von Mund- und Atemschutzmasken deutlich abgegrenzt werden. Zu Beginn der Masken-Diskussion wurden selbstgefertigte Alternativen ebenfalls als „Mundschutz“ oder Mund- und Atemschutz bezeichnet, was nicht richtig ist. Mundschutz- und Atemmasken, wie sie in der Medizin verwendet werden, sind aktuell knapp und sollen daher medizinischem Personal vorbehalten bleiben. Das gilt vor allem für filtrierende Halbmasken der Schutzstufen FFP2 und FFP3, die Träger vor partikelförmigen Schadstoffen und Aerosol schützen. Nach den ersten Lockerungen der Corona-Maßnahmen wird der Bevölkerung deshalb jetzt empfohlen, im öffentlichen Raum Alltagsmasken zu tragen.

Wo liegt der Unterschied zwischen einer Alltagsmaske und einem Mund- und Atemschutz?

Peter Stargardt: Um die Bezeichnung „Schutzmaske“ tragen zu dürfen, muss ein Mund- und Atemschutz gewisse Standards erfüllen. Je nach Einsatzgebiet gibt es unterschiedliche Normen, nach denen die Produkte zertifiziert sind. So sehr ich den Unternehmergeist schätze, wenn etwa ein Textilfabrikant oder ein Spielwarenhersteller jetzt Alltagsmasken produziert und auch kleine Einzelhändler oder Privatleute diese anfertigen: Meiner Meinung nach darf das kein Dauerzustand bleiben. Es sollte auch für Alltagsmasken ein einheitlicher Standard eingeführt werden. Oder besser: Die Produktion bereits standardisierter Schutzmasken entsprechend ausgebaut werden.

Wie sollte deiner Ansicht nach so ein standardisiertes Modell aussehen?

Peter Stargardt: Oft höre oder lese ich, es reiche auch ein Tuch oder einen Schal vor Mund und Nase zu tragen. Das sollte eine absolute Notlösung bleiben. Als Alltagsmaske empfehlen würde ich ein Modell aus Kunststoff, bei dem sich der Filter austauschen lässt. Für die zweitbeste Lösung halte ich Stoffmasken, die zusätzlich mit einem Einweg-Filtermaterial, zum Beispiel einem zugeschnittenen Kaffeefilter, ausgestattet werden können, der dann nach einmaligem Gebrauch ausgetauscht wird. Wichtig wäre dabei, dass gebrauchte Filter nach der Entnahme über den Restmüll entsorgt werden.

Längerfristig gesehen würde ich es jedoch begrüßen, wenn die Notwendigkeit jetzt erkannt worden ist und ein standardisierter Alltagsmundschutz, angelehnt an eine Norm für medizinischen Mundschutz, flächendeckend in den Verkauf käme. Die Verbraucher sind durch Corona sensibilisiert und die Nachfrage nach Mund- und Nasenabdeckungen wird vermutlich bestehen bleiben. Nehmen wir das Beispiel Einweghandschuhe: Die gibt es inzwischen in jedem Supermarkt. Weshalb sollten nicht auch bald 50er Packs mit Einweg-Mundschutz ins Sortiment der Supermärkte, Drogerien und Discounter mit aufgenommen werden. Aus meiner Sicht könnte das Institut für Arbeitsschutz der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherer, das unter anderem Atemschutz zertifiziert, diese Markteinführung kompetent und professionell begleiten.

Soweit ist es leider noch nicht und wir sind deshalb derzeit auf Alternativen, wie selbst genähte Masken oder von Textil- oder anderen Unternehmen gefertigte Baumwoll- oder Kunststoff-Masken angewiesen. Worauf sollten wir beim Gebrauch achten?

Peter Stargardt: Wichtig ist zunächst: Mit dem Tragen einer Alltagsmaske schütze ich vor allem andere. Durch unsachgemäßen Gebrauch kann auf einer Stoffmaske ein Herd für Viren, Bakterien und Pilze entstehen, das gilt es unbedingt zu vermeiden. Vor dem Anziehen deshalb unbedingt Hände waschen und das innere der Maske beim Aufsetzen nicht berühren. Außerdem darauf achten, dass die Maske eng genug anliegt. Dazu von außen mit den Händen einen enganliegenden Sitz prüfen. Es sollte rundherum so wenig Luft wie möglich ein- oder ausdringen.

Sollte ich die Maske ständig tragen, wenn ich im öffentlichen Raum unterwegs bin?

Peter Stargardt: Die Masken sollten vor allem an Orten getragen werden, an denen in einem geschlossenen Raum der Mindestabstand von eineinhalb Metern nicht durchgängig eingehalten werden kann – wie beispielsweise im Einzelhandel oder in öffentlichen Verkehrsmitteln. Beim Spaziergang, Radfahren oder Joggen schließe ich mich der Meinung unterschiedlicher Experten an, laut derer es nicht notwendig ist, eine Community-Maske zu tragen. Im Gegenteil: Es kann sogar schaden, wenn eine von Atemluft und Schweiß durchfeuchtete Maske zu lange getragen wird.

Um eine Kontaminierung von Händen und Oberflächen mit Viren oder anderen Erregern zu vermeiden, sollte die Maske auch nicht ständig hoch und heruntergezogen, sondern eher für eine möglichst begrenzte Zeit durchgehend aufgesetzt werden – beispielsweise für die Fahrt mit dem Bus oder während des Einkaufens im Supermarkt. Wenn es unvermeidlich ist, die Maske herunterzuschieben, dann dazu die seitlichen Bänder verwenden und nicht das Stoff- oder Kunststoffstück anfassen, das Mund und Nase abdeckt.

Wenn ich die Maske zuhause ausziehe, was gibt es dabei zu beachten?

Peter Stargardt: Was auf keinen Fall passieren darf: Dass Bewohner eines Haushaltes ihre gebrauchten Masken verwechseln! Beim Ausziehen – im Gegensatz zum Aufsetzen – die Maske nicht von außen berühren, sondern über die Seitenbänder vorsichtig abziehen und danach nicht nur die Hände waschen, sondern auch die Maske selbst reinigen. Stoffmasken entweder in die Waschmaschine geben oder mit kochendem Wasser im Spülbecken übergießen und danach gut trocknen lassen. Kunststoffmasken mit lauwarmem Wasser abspülen oder – soweit vorhanden – mit Desinfektionsmittel reinigen. Wenn die Maske mit einem Einwegfilter ausgestattet ist, diesen unbedingt über den Restmüll entsorgen, statt über die Papiertonne, um jedes Risiko einer Virenverbreitung auszuschließen.

Wenn ich die Maske beim Verlassen des Hauses noch nicht aufsetzen möchte, aber dabeihaben muss, weil ich vielleicht den Supermarkt besuche. Was sollte ich beim Transport und der Aufbewahrung von Alltagsmasken berücksichtigen?

Peter Stargardt: Für den Transport empfiehlt sich ein luftdicht geschlossener Beutel, zum Beispiel ein Gefrierbeutel mit Zippverschluss. Zu lange sollte eine getragene Maske darin allerdings nicht aufbewahrt werden, damit sie nicht schimmelt. Stoffmasken, die nach dem Waschen durchgetrocknet sind, können bis zum nächsten Einsatz ebenfalls in einen frischen, luftdicht verschließbaren Beutel gegeben werden.

Was hältst du noch für wichtig zum Thema Alltagsmasken?

Peter Stargardt: Mich stört vor allem, dass in all den Diskussionsrunden zu dem Thema, die ich zahlreich verfolgt habe, bislang noch kein Experte für Schutzausrüstung befragt wurde. Ansonsten will ich noch einmal verdeutlichen: Die Alltagsmasken ersetzen das Abstandsgebot nicht, sondern sind als eine Art physische Barriere lediglich eine Ergänzung. Den besten Schutz, das sagen auch das RKI und das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte, bieten nach wie vor das konsequente Distanzieren von anderen Personen und – auch wenn wir es langsam nicht mehr hören können: Hände waschen, Hände waschen, Hände waschen!

Vielen Dank, Peter, für dieses Interview!