Die Zahl mobiler Lernangebote steigt seit Jahren. Der Social Media-Hype sowie immer einfacher zu bedienende Smartphones und Tablets fördern diesen Trend.
Wenn Florin Schwarz an Bord der Sonntagabend-Maschine nach Berlin Platz nimmt, steckt in der Hosentasche sein Smartphone und die Kopfhörer in seinen Ohren. Während des einstündigen Flugs von Stuttgart in die Bundeshauptstadt lauscht er nicht etwa Soul-Sängerin Beyoncé, sondern hört sich BWL-Stoff an: Er lernt, was ein Oligopol von einem Monopol unterscheidet oder welche Bilanzrichtlinien für GmbHs gelten. Der Industriekaufmann ist Berufspendler und nutzt die Reisezeit, um einen Abschluss als IHK-geprüfter Wirtschaftsfachwirt zu machen. Sein Terminplan ist voll, montags bis freitags arbeitet er bei einem Berliner Kommunikationsunternehmen im Controlling. An den Wochenenden fliegt er zurück zur Familie nach Baden-Württemberg. Um dann alle 14 Tage samstags und sonntags die Schulbank zu drücken.
Auch Michaela Klein nutzt die Zeit, wenn sie täglich zwischen Wohnung und Arbeitsplatz pendelt zum mobilen Lernen. Sitzt sie im Zug von Stuttgart nach Ulm liest sie Karteikarten. Die 25-Jährige hat eine nebenberufliche Weiterbildung zum Fachwirt im Gesundheits- und Sozialwesen als Jahrgangsbeste abgeschlossen. Jetzt bereitet sich die junge Frau in nur 30 Tagen auf den IHK-Betriebswirt vor. Allerdings sind die Karteikarten nicht mehr aus Papier oder Pappe. Sie sind vielmehr auf ihrem Mobiltelefon gespeichert. Die 751 Lernkarten passen locker auf das Handy. Klein lernt gerne mit ihnen:
„Die sind gut zur Motivation. Geben sie doch sofort Aufschluss über den aktuellen Wissensstand“,
sagt sie. Von Papier auf die Handys seiner Lehrgangsteilnehmer hat Walter Trummer die Karteikarten „transformiert“. Die Weiterbildungsakademien carriere & more arbeiten schon seit über 20 mit Lern-CDs. „Damals nur mit Audio-Files“, erinnert sich Trummer. Inzwischen bietet die private Akademie mit bundesweit vertretenen Standorten Unterrichtsmaterial als Youtube-Erklärvideos oder als MP4-Datei sogar einstündige Talkrunden zum Ansehen – im Format wie sonntagabends bei Günther Jauch. Allerdings geht es bei den Lerntalkern nicht um Politik, sondern um Unterrichtsstoff: Wirtschaftsdozenten diskutieren etwa über verschiedene Rechtsformen oder Personalstrategien. „Alles zum Herunterladen, Mitnehmen und damit zum mobilen Konsum geeignet“, freut sich Trummer.

Mobiles Lernen auf dem Vormarsch

Dass die Investition ins mobile Lernen Sinn macht, hat der Gründer von carriere & more schon vor Jahren erkannt. Als Grund für die nun steigende Akzeptanz bei seinen Lehrgangsteilnehmern sieht der Bildungsunternehmer vor allem die inzwischen bedienungsfreundliche Technik.
„Die rasante Entwicklung der Smartphones hat das mobile Lernen wahrlich beflügelt“,
meint der Unternehmer. Zwar hätten schon früher Kursteilnehmer Kästen mit Karteikarten mit nach Hause genommen, um dort zu lernen. „Wir wissen aber aus den Rückmeldungen unserer mehr als 10.000 Seminarbesucher, dass inzwischen immer mehr unterwegs lernen“, verdeutlicht Trummer.
Eine vom MMB-Institut veröffentlichte Studie bestätigt den Trend zu mehr mobilem Lernen. Die Kernaussage der Befragung von 74 E-Learningexperten im deutschsprachigen Raum lautet: „Mobile Learning entwickelt sich in den nächsten drei Jahren zur Umsatzlokomotive.“
Besonders starke Nachfrage mobiler Lernangebote sind die sogenannten Digital Natives. Soziologen bezeichnen sie auch gerne als Generation Y oder Millennials. Gemeint ist die Generation der um das Jahr 2000 Geborenen. Grund für deren spielerischen Umgang mit Onlineangeboten erklären Experten mit dem alltäglichen Umgang des Internets.

Kultusministerien fördern den Trend, des mobilen Lernens

Gefördert wird dieser Trend inzwischen auch von Kultusministerien. Das Land Niedersachsen etwa führt ein Projekt mit dem Namen „Mobiles Lernen mit Tablet-Computern“ ein. Es soll untersuchen, ob und wie Tablets sich auf die Qualität des Unterrichts auswirken. Die Macher scheinen klare Ziele zu fokussieren: „Das Projekt verknüpft das Netzwerk der medienpädagogischen Beratung mit dem mobilen Lernen sowie der Lehrerweiterbildung und leistet einen erheblichen Beitrag zur schulischen Qualitätsentwicklung“, heißt es in der Projektbeschreibung.
Die eingangs zitierte Studie des MMB-Institut beteuert:
„Die Dominanz des Top-Themas „Mobile Learning“ bedeutet aber nicht den Abschied von bewährten Lern-Arrangements“.
Unternehmen würden auch zukünftig vor allem auf Blended Learning-Szenarien setzen der Mischung von traditionellen Lernformen mit virtuellen – und mobilen – Elementen. Die Studien-Macher sehen vielmehr, dass klassische Unterrichtsformen über virtuelle Klassenräume und Webinare eine Zukunft hätten.
Diesen Trend und das bisher aufgebaute Know-How, den Unterrichtsstoff in möglichst vielen Medien und für die unterschiedlichsten Sinneskanäle darzureichen, hat sich carriere & more in der aktuellen Corona-Krise zu Nutzen gemacht.
„Wir waren durch das Firmenkundengeschäft schon vorgewarnt, wo es aufgrund des Corona Einbruchs bereits im Februar zu Terminverschiebungen kam. Reaktionsschnell haben wir mit der gesamten Truppe alle Hebel in Bewegung gesetzt, um unser Schulungsangebot im virtuellen Klassenräumen, interaktiv, in den bestehenden Seminargruppen mit ihren Dozenten fortführen zu können. Das war ein Kraftakt, aber er ist gelungen, heute unterrichten unsere über 200 Trainer sowohl im Firmenkundengeschäft als auch in den Akademien in unseren 80 virtuellen Klassenräumen.“
Und die Kunden? Die sind begeistert, berichtet Trummer nicht ohne Stolz.